
2011: Kikeriki Theater
Eine Ironie des Grauens
Von Sabine Posse
KLEINKUNST Zwei unterhaltsame Abende mit dem frech-fröhlichen Kikeriki-Theater in Kemel
„Kasper, steh uff“, plärrt Ehefrau Gretchen vor 220 Zuschauern durch die Römerhalle. Doch Handpuppe „Kasper“ hat mit Arbeit nicht viel am Hut und außerdem „aach noch kei Droppe gefrühstückt.“ Gretchen hat kurze Beine, kein Wunder, dass auch ihr der Magen schon in den Kniekehlen hängt. „Nosferatu – eine Ironie des Grauens“ nimmt ihren Lauf.
Seit 2006 organisiert der Springer Carneval Club (SCC) Comedy-Veranstaltungen, um auch unabhängig von der Fastnachtskampagne etwas Heiter-Amüsantes anzubieten. Nachdem Teammitglieder Vorstellungen des Darmstädter Kikeriki- Theaters gesehen hatten, holten sie das Puppenspiel nach Heidenrod, erzählt SCC-Kassiererin Andrea Semmler.
Aus Platzgründen habe die Aufführung aber nicht in Springen stattfinden können, man sei daher ins Dorfgemeinschaftshaus nach Kemel ausgewichen. Die Bühne des Puppentheaters ist entsprechend groß, mit professionell gestaltetem Bühnenbild und Beleuchtung ein echter Hingucker. Der Text von Kikeriki Theaterleiter Roland Hotz biete eine „komödiantische Aufarbeitung“ der Draculageschichte“, ganz gemäß dem Motto der Puppenspieltruppe „dem Alltäglichen zum Trotz“ auch noch in hessischer Mundart.
Dabei spannt der bauernschlaue Kaper durch Abschweifungen immer wieder den Bogen zum alltäglichen Hier und Jetzt, etwa „was Gott wohl so denkt, wenn er da oben am Computer sitzt und den Ratzinger programmiert“. Und im buckeligen Häusermakler Zeck, glaubt Kasper erst den Pumuckel, dann sogar Uli Hoeneß wiederzuerkennen. Schließlich erhält er den Auftrag nach Transsylvanien zu reisen, dorthin „wo die Transvestiten wohnen“.
Ob das weit sei, will Gretchen wissen, und Kasper erklärt: „weit fort, sehr weit, hinter Huppert.“ Sein Sturz „vom Gaul“ zieht das Publikum ins Geschehen mit ein, ein mitleidiges „och“ macht die Runde. Der Protagonist begibt sich auf einen Exkurs über Jammerstufen und kommt zu dem Schluss: Männer sind Jammerlappen. Heftiger Applaus seitens der Frauen, laute Buhrufe von den Männern.
Eine gute Stunde dauert die Vorführung bereits an, bis Kaper in einem „Treppenhaus mit lauter Treppen – das muss Hundertwasser gebaut haben“ dann endlich auf Nosferatu trifft. „Alter, was eine Fresse“ begrüßt er den bleichen „Freizeitpunker“, der von hinten ja aussehe wie „ein Teletubby nach einem Zimmerbrand“.
Derbe Sprüche, frech, respektlos, aber stets oberhalb der Gürtellinie, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Kleinkunstdarbietung und enttarnen menschliche Schwächen. Dazu ein Kasper, der etliche Begriffe nicht verstehen will, stattdessen die Sätze bandwurmlang im Mund verdreht. Die Mehrheit des Publikums unterhält sich prächtig, begeisterter Szenenapplaus und freundlicher Beifall wechseln sich ab.
Mit der Dracula-Geschichte in komödiantischer Aufarbeitung sorgte das Kikeriki-Theater aus Darmstadt für zwei unterhaltsame Kleinkunst-Abende in der Römerhalle in Kemel.
Quelle: Aar-Bote